Cyber-Bijou Nr. 6 (Januar 96)

Inhalt

  1. Editorial
  2. Bisexuelle im Weltraum (I)
  3. Seehofer sozialisiert die Sozialhilfe
  4. Ehe zu Dritt Dieses Wagnis ist schön
  5. ... das Projekt Tagungshaus zieht Bilanz
  6. Wenn Frauen träumen Ich wär so gern ein schwuler Mann...


Editorial

Etwas Gutes haben ja diese vielen Talkshows. Alle Nase lang erfährt die staunende Öffentlichkeit etwas über bisexuelles Leben! Gerade präsentierte Arabella Kiesbauer ihrem eher jugendlichen Publikum das Thema "Ich habe meinen Mann mit einer Frau betrogen!". Inclusive zwei Hetero-Pärchen, bei denen die Männer eines Nachts miteinander im Bett landeten.

Niemand kann mehr sagen, er oder sie würde keine Bisexuellen kennen. Soweit sind wir mit unserer Öffentlichkeitsarbeit. Einen Haken nur hat die Sache: Irgendwie hat das immer den Geschmack von: Schaut her, was es alles an Perversionen gibt! U nd der eingeladene Fach-Psychologe macht zwar intelligente Bemerkungen, kennt das Bi-Leben aber bloß vom Hörensagen.

Wie wohltuend, wenn's mal ganz anders kommt. Da dreht ein ZDF-Kamerateam in monatelanger Kleinarbeit ein Porträt mehrerer bisexueller Frauen und Männer - übrigens auf Initiative der BiNe. Heraus kommt ein behudsames, ehrliches und faszin ierendes Bild der Vielfalt unter dem Titel "Spagat der Gefühle".

Fast zur gleichen Zeit bringt der renommierte TRIAS-Verlag ein Buch heraus. Titel schlicht "Bisexualität", verfaßt von zwei 'bekennenden' Bi's, Francis Hüsers und Almut König.

Allmählich wird unübersehbar, was wir 1994 vermuteten: Es kommt was in Bewegung. Da haben wir doch glatt den Geburtstag von 'Bijou' im Oktober 95 übersehen... Sei's drum, der nächste wird gefeiert!

Viel Spaß beim Lesen. (und meldet Euch mal!)

 

Thomas

 


Bisexuelle im Weltraum (I)

Wie Bi-Männer und Frauen per Computer zusammenkommen

 

Eine der am besten besuchten Arbeitsgruppen bei der internationalen Bi-Konferenz in New York 1994 drehte sich um Kontakt und Austausch per 'E-Mail'. Für Nicht-Kenner: Das ist eine Art elektronische Post, bei der Briefe und Mitteilungen in Sekunden schnelle per Telefonleitung zwischen Personen ausgetauscht werden können. Die Revolution am Computer findet diesmal unter heftiger Beteiligung von Bi's statt. Was es da inzwischen alles gibt, beschreibt der folgende Artikel.

 

Was macht John aus England, wenn er andere Bi's kennenlernen möchte? Er setzt sich an seinen Computer und schreibt eine kurze Nachricht. Etwa so: "Hi, ich bin John, 40 Jahre alt - schlank, dunkles Haar, grüne Augen, umgänglich, freundlic h. Ich beginne gerade, mich mit meiner Bisexualität auseinanderzusetzen, bin also eher unerfahren. Ich bin mit Sarah verheiratet, die wunderbar ist, aber ich war bisher noch nicht in der Lage, ganz offen darüber zu sprechen, was ich denke und tu e. Würde gerne mit jemandem darüber klönen, der in derselben Situation steckt oder dieselben Interessen hat. Danke, John."

Nun könnte er diesen Text an den nächsten Baum hängen, aber erstens würde dann Sarah sicher fragen, ob der von ihm sei, und ob da so viele geeignete Menschen vorbeikommen, läßt sich bezweifeln.

Also macht es John anders. Er wählt sich in eines der vielen Computer-Netze ein. Dazu braucht er bloß ein sogenanntes 'Modem' - und die richtige Telefon-Nr. Die aber hat er, denn John ist schon länger "im Netz". Diesmal wählt er ei ne Mailbox an (das ist sowas wie ein Verteiler im Netz, der die Nachrichten aufnimmt und verschickt bzw. empfängt), die Zugang zum GLI-Netz hat. GLI steht für 'Gay Link International' und ist ein Computernetz, welches in Europa und Kanada verbre itet ist.

In jedem Netz gibt es sogenannte 'Foren'. Das ist die Mehrzahl von Forum und bedeutet soviel wie 'Rubrik'. Es gibt viele Rubriken, z.B. 'Bisexuelle', 'Diskussionen', 'Freizeit', 'Leder' , 'Sexualität' und so weiter.

Weil John vermutet, im Forum 'Bisexuelle" am ehesten zu finden, was er sucht, schickt er seine 'Mail', wie es neudeutsch heißt, dorthin. Er könnte sie auch in das Forum 'Kontakte' setzen, wo er vielleicht schwule und lesbische Gesprächs partnerInnen findet.

Und tatsächlich: Einen Tag später liegt bereits eine erste Antwort vor. Sie kommt von Tom: "Hi John. Es wäre schön, wenn wir uns unterhalten könnten. Wie hat sich Dein Leben bisher entwickelt? Warst Du schon immer bi?"

John setzt sich sofort an seine Maschine: "Hi Tom, es ist schön, von jemandem zu hören, der in einer ähnlich frustrierenden Situation lebt wie ich. Wie es dazu gekommen ist, will ich gerne erzählen." Und dann berichtet er Tom von se iner Ehe, seinen Versuchen, Kontakte zu Männern zu finden usw.

Kurz darauf meldet sich noch jemand anders: "Hi John, ich wollte nur mal kurz hallo sagen. Eigentlich bin ich schwul (zumindest würde ich mich bisher so bezeichnen), aber ich lese in vielen Foren mit. Du schreibst von einer 'frustrierenden Situati on', warum? Hast Du Probleme, Männer kennenzulernen? Wäre schön, von Dir zu hören! Alles Gute, Robert."

Vielleicht wird bisher schon deutlich, welche Möglichkeiten diese Kontakte im Netz bieten. In Deutschland gibt es vor allem das GayNet, in dem sich auch Bi's tummeln, oder das allgemeine FidoNet, welches ein schwul-lesbisches Forum namens 'Gay.Ger ' (für Germany) hat. Die deutschen Netze empfehlen sich vor allem für Leute, die nicht so gut Englisch sprechen.

Falls Interesse besteht, werden wir mal in einer weiteren Ausgabe mehr darüber berichten, was so alles 'im Netz' los ist und wie man/frau Anschluß finden kann. Schreibt uns, wenn Ihr mehr hören wollt!

 

Thomas

 


Seehofer sozialisiert die Sozialhilfe

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hat ein umfassendes Konzept vorgestellt, nach dem die öffentlichen Kassen Milliardenbeträge an Sozialhilfe einsparen sollen. Dabei sollen Wohn- und nichteheliche Lebensgemeins chaften künftig massiv zur Kasse gebeten werden.

 

Allein durch die Maßnahmen zur Arbeitsplatzvermittlung von SozialhilfeempfängerInnen werden diese Summen sicherlich nicht einzusparen sein. Bei genauer Betrachtung des Entwurfs fällt auf, daß künftig praktisch alle Person en einer Wohngemeinschaft für eine/einen sozial-hilfebedürftige/n MitmieterIn aufkommen sollen, wenn sie nicht glaubhaft machen können, daß keine Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Dieser Beweis dürfte Lebensgemeinschaften spä testens dann schwerfallen, wenn sie schon einmal gemeinsam umgezogen sind.

Betroffen von dieser Regelung wären alle Lebensgemeinschaften, in denen nicht absolut getrennt gewirtschaftet wird. Egal, ob die Beziehung homo-, bi-, hetero- oder asexueller Natur ist. Wird eine Person der Wohngemeinschaft zum Sozialfall, werden die übrigen MitbewohnerInnen zur Kasse gebeten werden. Sind sie hierzu nicht bereit, müssen sie zwangsläufig die/den SozialhilfeempfängerIn aus der Wohngemeinschaft entlassen oder die Wohngemeinschaft auflösen. Sozialhilfeempf&aum l;n-gerInnen, die daraufhin nicht rasch eine alternative Wohnung finden, werden obdachlos.

Erstmalig wird ausgerechnet durch einen CSU-Politiker eine Situation geschaffen, in der sich nichteheliche Homo-, Bi-, und Heterosexuelle geradezu gemeinschaftlich diskriminiert fühlen und sich aus dieser Situation heraus solidarisieren könne n.

Der Hintergrund

Bundessozialhilfegesetz, heutige Fassung:

 §16 Haushaltsgemeinschaft

"Lebt ein Hilfesuchender in Hausgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, daß er von ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies von ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Soweit jedoch der Hilfesuchende von den in Satz 1 genannten Personen Leistungen zum Lebensunterhalt nicht erhält, ist ihm Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren."

 

Das Sozialhilfekonzept Seehofers sieht folgende Neufassung des Paragraphen vor:

 § 16 Vermutung der Bedarfsdeckung

"Lebt ein Hilfesuchender gemeinsam mit anderen Personen in einer Hausgemeinschaft oder in einer entsprechenden Unterkunft, so wird vermutet, daß sie gemeinsam wirtschaften (Haushaltsgemeinschaft) und daß der Hilfesuchende vo n ihnen Leistungen zum Lebensunterhalt erhält, soweit dies nach ihrem Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Wenn nicht gemeinsam gewirtschaftet wird oder der Hilfesuchende von Mitgliedern der Hausgemeinschaft ausreichende Leistungen zum L ebensunterhalt nicht erhält, ist ihm Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Satz 1 ist nicht auf Hilfesuchende anzuwenden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die nach §38 Abs. 1 behindert oder nach §68 pflegebedürftig si nd oder einzelne für ihren Lebensunterhalt erforderliche Tätigkeiten nicht verrichten können und von in Satz 1 genannten Personen betreut werden; dies gilt auch, wenn die genannten Voraussetzungen einzutreten drohen und das gemeinsame Wohne n im wesentlichen zu dem Zweck gegenseitiger Hilfe und Unterstützung erfolgt."

 

Martin

 


Ehe zu Dritt: «Dieses Wagnis ist schön»

Jacob Reinhard hat seiner Lehrerin ganz unglaubliche Dinge erzählt: Seine Eltern würden nicht nur zu zweit, sondern zusammen mit ihrem Freund Jörg ins Bett gehen! Wie er denn auf solch fantastische Geschichten komme, wollte sie von seiner Mutter Brigitte wissen. Die konnte nur lachend bestätigen, daß genau das bei ihnen wirklich passiert. Was die Zeitschrift 'magnus' da in einer Ausgabe vom vergangenen Jahr vorstellte, möchten wir Euch nicht vorenthalt en.

 

Ernie Reinhard, den meisten besser als Lilo Wanders aus der "Schmidt Mitternachts-Show" und inzwischen als "Wahre Liebe"-Moderator(in) bekannt, paßt in keine Norm.

Schon als Ernie vor acht Jahren Brigitte heiratete, war ihm die schwule Szene böse. Als er dann kinderwagenschiebend in der Öffentlichkeit gesichtet wurde, war's mit der Fassung bei den meisten Schwulen vorbei. Irgendwie paßte alles nic ht mehr zusammen. Nach dem ersten Kind Johannes kam bald ein zweites, Jacob, und schließlich eine Pflegetochter, Gina.

Nebenbei hatte Ernie mit verschiedenen Männern parallel Beziehungen; auch Brigitte hatte andere Freundschaften. Für Außenstehende war eine Schublade gefunden: Da führen zwei eine Zweckehe!

Für die beiden war es aber keineswegs so einfach. "Es gibt Beziehungen, in denen die sexuelle Präferenz nicht das Wichtigste ist, wo sich Menschen wie Puzzleteile zusammenfügen," beschreibt Ernie ihr Miteinander. "Wenn Liebe da ist, verl ieren doch Kategorien wie schwul, lesbisch, hetero immer mehr ihre Wertigkeit, es ist einfach eine Geschichte zwischen uns."

Obwohl, einfach war es sicher nie. Brigitte und Ernie lebten mit ihren Kindern in einer Altbauwohnung in St.Pauli. Jörg kam gerade aus einer Kleinstadt nach Hamburg. Bei seiner ersten Begegnung mit Ernie traf ihn fast der Schlag. "Weil ich noch ni e einen Transvestiten gesehen hatte". Bald aber merkte er, daß ein großer Unterschied existiert zwischen der Fummeltrine und dem privaten Menschen Ernie Reinhard. Trotzdem, mehr als Freundschaft war es nicht - bis sich Ernie in ihn verliebte. Viel war nicht drin, denn Jörg hatte bis dahin ausschließlich Frauenbeziehungen gehabt. "Es hat Jörg unglaublich viel gekostet, auch nur seine Wange an meine zu legen", erzählt Ernie.

Es war Brigitte, die schließlich fragte: "Willst Du mit uns leben?" So zog Jörg bei den beiden, oder besser: bei den fünfen ein. Als Freund, nicht als Geliebter, quasi als WG.

Daß es am Ende doch mehr wurde, ist für viele Außenstehende genauso wenig zu begreifen wie die Familie Reinhard und Co. schon vorher: Ein Mann, der mit einer Frau zusammen lebt, die er liebt und mit der er Kinder hat, und der sich doch standhaft als 'schwul' bezeichnet. Nun auch noch das: ein Dritter im Bunde!

Die Beziehung entwickelte sich im Turbogang: "Wir haben sehr schnell gelebt," sagt Brigitte. Zusammenraufen mußten sie sich. Es war keineswegs einfach, so plötzlich erwachsenen Zuwachs in die Familie aufzunehmen. Natürlich war es eine B elastung für die Kinder, die im schnellen Wechselspiel Streit, aber auch Versöhnung erlebten.

Inzwischen sind sie ein Trio, incl. Sex. Sehr lustvoll, auch zu Dritt, wie Brigitte erzählt. "Die Leute haben sich auf übelster Weise das Maul zerrissen," mußte Ernie erleben, sogar die lieben Kollegen vom 'Schmidt'-Theater. Die einen h aben es ja schon immer gewußt, daß das nicht gut gehen kann zwischen Ernie und einer Frau (Motto: Die arme Frau, wird von dem alternden Schwulen zur Kinderaufzucht mißbraucht), die anderen sehen Jörg als das 'Alibi' der Lilo Wanders (Motto: Der arme Junge, wird von dem alternden Schwulen ausgenutzt), die dritten meinen, daß da sowieso nur Geld im Spiel sein kann (Motto: Die wenig attraktive Frau und der alternde Schwule kaufen sich einen hübschen Knaben).

Was viele Leute nicht begreifen ist, daß die drei sich nach keiner Schablone richten. Wichtiger ist ihnen, sich ein wenig Geborgenheit, ein bißchen Heimat zu schaffen. "Ein Stück Land, auf dem man als Mensch mit seiner Liebe und seiner Stärke gedeihen und von seiner Schwäche und Verletztheit genesen kann."

Aber die Angriffe haben ihre Spuren hinterlassen. Die drei haben sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sie wollen sich ihren Versuch, anders zu leben, etwas Neues zu versuchen, nicht von außen kaputt machen lassen. Ist es doch scho n schwer genug, dieses 'Neue' zu leben. "Es ist ein Wagnis, sich immer wieder füreinander zu entscheiden, statt sich zurück in die Wüste der Einsamkeit zu flüchten", zieht Ernie Bilanz. "Aber dieses Wagnis ist schön."

(nach einem Bericht in 'magnus' 1/94)

 


... das Projekt Tagungshaus zieht Bilanz

 

Es waren einmal ein paar bisexuelle Selbsthilfegruppen, die sich gegenseitig zum Erfahrungsaustausch einluden. Diese Gespräche und das Miteinander waren so schön, daß man beschloß, sich weiterhin einmal im Jahr, abwechselnd an ver schiedenen Orten, zu treffen.

Doch manchmal waren diese Treffpunkte geographisch so weit abgelegen, daß man acht bis zwölf Stunden Fahrzeit bewältigen mußte und dort ziemlich erschöpft ankam. Aus diesem Grund entstand der Wunsch nach einem zentral gelegen en Tagungshaus. Gleichzeitig konnte man die Entstehung und Auflösung vieler Bi-Gruppen beobachten und erfahren, wie furchtbar schwierig sich die Arbeit, ein Bi-Treffen zu organisieren, gestaltete.

Um diesem Umstand dauerhaft entgegenzuwirken, fanden sich vier Menschen zusammen, die zuerst ein geeignetes Tagungshaus suchen und später eine Art Verbindungsstelle zwischen Bi-Gruppen und Tagungshausleitung sei wollten. Sie formten das Projekt Tagungshaus, und ich war eine von ihnen.

Ein paar Monate später stellte sich heraus, daß oben erwähnte Auflösungstendenzen auch vor diesem Projekt nicht haltmachten, und ich fand mich mit der Tagungshaussuche allein.

Im März '94 fand ein Mitgliedertreffen der BiNe e.V. statt, welches Andreas aus Stuttgart und ich organisierten. Dadurch erhöhte sich die Zahl der Projektmitarbeiter auf "zwei" (Chefin und Sekretär, wie Andreas immer betont!). Diese Mita rbeiterzahl hat sich offenbar stabilisiert, und seitdem fahren Andreas und ich hunderte Kilometer von Tagungshaus zu Tagungshaus, um immer wieder Alternativen zu finden: Ein geeignetes Haus mit genügend Teilnehmerplätzen und Seminarräumen, günstig gelegen, vegetarische Kost, akzeptable Kosten. Voraus gehen der Suche jeweils wochenlange Vorauswahl und etliche Telefonate.

Das Projekt Tagungshaus übernahm also die Suche nach Tagungshäusern - und fand sich plötzlich mitten in der Organisation von bundesweiten Bi-Treffen wieder.

Jahrelang kamen, mit wenigen Ausnahmen, ca. 30 Bi-Menschen zu diesen Treffen. Nach dem Herbsttreffen '94 in Elmstein/Pfalz, zu dem sich ca. 40 Bi's anmeldeten, beschlossen wir, das nächste Treffen zu vergrößern. So konnten 54 Menschen a n dem Treffen teilnehmen.

Allerdings hatten wir keinesfalls vermutet, daß fast 100 Anmeldungen zu diesem Treffen kamen. Nun standen wir erstmals vor dem Problem, Auswahlkriterien zur Teilnahme an Bi-Treffen festlegen zu müssen. Wir berücksichtigten dabei folgende Faktoren: Posteingang, Geschlecht sowie die Tatsache, ob jemand BiNe-Mitglied ist (diese hatten Vorrang, weil eine Mitgliederversammlung das Treffen schmückte - ein unglücklicher Umstand, den wir so nicht wieder eintreffen lassen wollen ).

Zum Herbsttreffen '95 in Kronberg/Taunus, das sich über zwei volle Tage plus An- und Abreisetage erstreckte, trafen 70 Anmeldungen ein. Diesmal berücksichtigten wir nicht nur Posteingang und Geschlecht, sondern auch geographische Lage (Gro&sz lig;stadtkind mit Bi-Gruppe oder einsam in der Pampa lebend) und bereits mehrmalige Teilnahme an früheren Treffen (Gib den Neuen eine Chance!)

Die Reaktion auf diese Auswahl war prompt und entrüstend. Sie wurde jedoch in persönlichen Gesprächen und Erläuterung der Sachlage gemildert.

Es galt nun, für die Zukunft zu entscheiden. Sollen größere Treffen organisiert werden? Immerhin geht dadurch die 'intime' Atmosphäre verloren. Der Vorstand der BiNe e.V. und das Projekt Tagungshaus entschieden sich dagegen und bie ten in diesem Jahr folgende Treffen an:

 

15. -17. März 96 Butzbach/Hessen (50 Plätze)

4. - 6. Okt. 96 Rothenburg/Fulda (30 Plätze)

15. - 17. Nov. 96 Butzbach/Hessen (nur für BiNe-Mitglieder)

 

Dem Wunsch nach Teilnahme an beiden Herbsttreffen kann nicht entsprochen werden.

Bleibt die Frage: Warum organisieren immer Andreas und Vivian die Treffen? Das fragen wir uns auch!!!

Wir bitten deshalb um tatkräftige Unterstützung bei:

* Telefonaten und Briefwechsel mit Tagungshäusern und Leuten, die inhaltliches Programm anbieten,

* Durchforsten von Tagungshauskatalogen

* Tagungshaus-Besichtigungen und der Finanzierung dieser Arbeit.

 

Wir würden gern auch mal wieder als schlichte TeilnehmerInnen teilnehmen! Wir brauchen SeminarorganisatorInnen und KoordinatorInnen - und vielleicht mal eine PAUSE!!!

Vivian

 


 

Wenn Frauen träumen:

Ich wär so gern ein schwuler Mann....

Ich könnte auf Tuntenbällen tanzen, mir das Klischee Marianne Rosenberg reinziehen, auf Klappen sofort entscheiden und nicht erst die Katze im Sack kaufen müssen, schrille Partys feiern, in Darkrooms verkehren und im Dortmunder "Blue" ungestört mit dem Barmann knutschen. Ach ja, schwules Leben ist einfach spannender, aufregender und witziger ...

Und vielleicht käme ich endlich zu dem Mann meiner Träume. Die schönsten, sensibelsten, erotischsten Männer sind alle schwul: Immer, wenn ich mal wieder hoffnungslos über beide Ohren verknallt bin, ist er schwul. Da hilft kein Baggern, kein Anheizen, kein einziges Register aller meiner Verführungskünste, er bleibt einfach schwul. Und ich weiter allein. Ich habs ja immer gesagt, an den Schwulen ist der Frauenwelt was verlorengegangen.

Um aber nicht ganz unerfahren und verlassen zu sterben, wollte ich wenigstens wissen, wie es ist, die Sache mit dem Analverkehr. Wo doch alle Menschen da, wo gewöhnlich die Hämorrhoiden sitzen, äußerst erogene Zonen haben sollen. H at nicht der dänische Arzt, Sexologe und Vielschreiber Lasse Hessel herausgefunden, daß auch Männer einen G-Punkt haben? Den mal wieder nur Schwule gegenseitig suchen und finden.

Doch die Suche, sagte ich mir, muß ja nicht nur ihnen vorenthalten sein. Was mich allerdings vor unlösbare Probleme stellte. Mit Heteros sind bestimmte Dinge kaum zu machen. Mit wem also, war die erste der unzählig schwierigen Fragen, d ie sich auftaten. Und: Wie ihm mein Anliegen erläutern? Mit Kondomen? Welche Gleitcreme ist die richtige, oder sind sie alle gleich ? Oder brauchen wir zu guter Letzt gar keine?

Als ich glaubte den richtigen meiner Freunde auserkoren zu haben, hatte der nur ein lakonisches Lächeln parat: "Bin ich schwul, oder was?" Muß eben der Hausfreund herhalten. Da hab ich aber vorher geklemmt. Seine einzige süffisante Reak tion, mit lechzendem Zahn und vor Inbrunst basedowquellenden Augen: "Auf so eine kleine Sau wie Dich habe ich schon lange gewartet". Der versprach sich sicher zu viel. Einen von der Straße? Nicht mein Fall. Mit einem schwulen Freund? Die lachen sich doch alle krank. Kontaktanzeige? Da lache ich mich krank.

Inzwischen horten sich sieben verschiedene Sorten Gleitcreme und mehrere Packungen Kondome in meinem Nachtschränkchen. Männer werden nur noch nach der Kategorie "Macht er's, oder macht er's nicht?" begutachtet. Meine Freunde haben sich sä ;mtlichst zurückgezogen, ich vernachlässige meine Arbeit, trinke schon am Morgen und habe tiefe Augenränder. Dafür stapelt sich auf meinem Schreibtisch Fachliteratur, deren Inhalt, das habe ich jetzt erkannt, wohl immer Bücher mit sieben Siegeln sein werden.

Ach ja, ich wär so gern ein schwuler Mann...

 

Simone Schmollack (gefunden im GayNet)