Cyber-Bijou Nr. 4 (Juli 95)
Inhalt:
Basisdemokratie ist ‘in’. Die SPD wählte sich so ihren Vorsitzenden, und die Berliner dürfen nächstes Jahr bestimmen, ob sie mit den Brandenburger in’s (Landes-)Ehebett steigen wollen.
Da mochten wir nicht hinterher hinken und befragten bei zwei Bi-Treffen die Anwesenden, was ihnen an der ‘bix’ gefällt - und was nicht. Die Kritik und die Anregungen versuchen wir nun alsbald umzusetzen: mehr Humor und abwechslungsreichere Gestalt ung, mehr aus dem konkreten Leben von Bi-Frauen und -Männern, weniger kopflastig - halt eine gute Mischung aus E(rnstem) und U(nter-haltsamem).
Und dann war da noch den Name. Wer länger dabei ist, weiß, daß das Projekt mal unter dem Namen ‘Bijou’(=Bisexuelles Journal) begann. Bei der Erstellung der 1.Ausgabe wurde daraus ‘bix’. Kurz, dynamisch, griffig. Unseren Grafiker inspir ierte dieser Name, und so änderten wir kurzerhand den Titel.
Aber wir hatten die Rechnung ohne unsere LeserInnen gemacht! "Das klingt wie ‘nix’ oder ‘wix’ - nein, den Namen finde ich nicht schön!" So oder ähnlich klang es uns entgegen. Und da wir die Zeitschrift ja nicht (nur) für uns, s ondern für Euch machen, gab es ein großes Brainstorming über den neuen Namen. ‘Bi’ und ‘Bi²’ erhielten zwar auch einige Stimmen, aber unangefochtener Sieger war ‘Bijou’.
Nach ernsthafter Abwägung der Für’s und Wider’s beschlossen wir also auf der letzten Redaktionssitzung, ‘Bix’ wieder ‘Bijou’ (= Bisexuelles Journal) zu nennen. Wir sehen uns da im Einklang mit der Welt (‘Raider’ heißt jetzt ‘Twix’), und hoffen, Euch gefällt’s auch.
Apropos Redaktion: Wir haben Verstärkung bekommen! Neben Angelika aus Frankfurt arbeitet auch Anja aus Hagen inzwischen mit und sorgt dafür, daß ‘Bijou’ nicht nur aus Männerhand geformt wird.
Wenn jetzt auch noch mehr Frauen sich trauen, für ‘Bijou’ etwas zu schreiben, dann wäre das noch besser! Gerade der Bereich ‘Aus dem Leben’, der so wunderbar in Heft 1 von Hans eingeleitet wurde, ist noch unterbelichtet. Schreibt uns, wie Ihr Beziehung und die Liebe zu Dritten unter einen Hut bringt (oder eben auch nicht), schreibt uns von spannenden und aufregenden Erfahrungen in Eurem Leben. Laßt uns alle daran teilhaben, wie Ihr ganz persönlich das Abenteuer ‘Bisexualität’ besteht.
Wir freuen uns darauf!
Thomas
von Corinna Gekeler*
Bisexuelle, die ewig Unsichtbaren
Kleidung, Frisuren und andere sogenannte Äußerlichkeiten signalisieren soziale Zugehörigkeiten. Lifestyle ist ein wichtiger Teil der Selbstwahrnehmung und -präsentation: Er drückt "etwas" aus, teilt "etwas" mit, kommuniziert ein Image, eine Identität, zum Beispiel eine sexuelle.
Innerhalb der Bi-Bewegung wird die Unsichtbarkeit von Bisexualität, das heißt der Mangel an Images und Bildern, die Bisexualität(en) vermitteln könnten, als Problem erkannt. Als Grund wird unter anderem genannt, daß es aufgru nd der Vielfalt, in der Bisexualität gelebt wird, kein eindeutiges Bild geben kann und sollte. Betrachtet man zum Beispiel "die Schwulen" und deren inzwischen recht zahlreiche und diverse Images, relativiert sich dieses Argument jedoch. Hom osexuelle sahen sich jahrelang genötigt, Bilder über sich zu korrigieren und Vorurteile abzubauen. Die Devise "Lifestyle is a statement" gilt zwar nach wie vor, aber das Kultivieren der eigenen Subkultur ist mindestens genauso wichtig geworden.
Bisexuelle fordern Verständnis von und Anerkennung durch Hetero- und Homosexuelle. Als was man jedoch verstanden und anerkannt werden möchte, stellt sich meist als "unverstandener Problemfall" heraus und wird selten positiv f ormuliert oder gar kreativ besetzt. Meist herrscht eine phantasielose Problembezogenheit vor, die sich in allen Büchern, Broschüren, Zeitschriften und Plakaten über, aber auch von Bisexuellen zeigt.
Die Ursache für die Unsichtbarkeit von Bisexualität als lustvolle und attraktive Lebensform liegt nicht unwesentlich in dem recht großen Hang/Drang/Zwang Bisexueller, sich anzupassen. Ich unterstelle teilweise auch einen Unwillen aufzuf allen und eine mangelnde Bereitschaft, sich der Integration zu verweigern. Es mag an der inneren Zerrissenheit vieler Bisexueller liegen, daß man scheinbar widersprüchlichen Situationen eher aus dem Weg geht statt selbstbewußt zu kontern. Man gibt sich höchstens in bekenntnisähnlichen Situationen zu erkennen: "Aber ich muß Dir noch was sagen ..." statt "Was, das fällt Dir jetzt erst auf?".
Viele Bisexuelle praktizieren diese defensive Form des Coming-Out, da sie den zu jedem Coming-Out gehörenden Abschied nicht konsequent zu Ende führen - einen Abschied von den Erwartungen beider Seiten, so gründlich wie nötig und m&o uml;glich. Dies bedeutet, sich von Strukturen loszulösen, Enttäuschungen zu verursachen, und dazu zu stehen, daß man Verwirrung und Schmerz auslöst. Erst dann heißt Abschied auch Raum für Neues, vor allem für Deutlichk eit über das, was man sehr wohl zu bieten hat. Und erst eine solche Deutlichkeit könnte die Grundlage dafür schaffen, daß Bisexuelle aktiv eigene Selbstbilder und Images entwickeln.
Bisexualität als Weltbild
Innerhalb der Bi-Bewegung entsteht so etwas wie eine "politische Identität", die auf gemeinsamen Interessen und Interessensvertretung beruht. Dazu gehören Treffpunkte, Begleitung in psychosozialen Fragen, Treffen und Seminare, Selbs thilfe und die Gestaltung von bi-spezifischer HIV-Prävention.
Identitätsbildend sind außerdem zahlreiche Studien, Erfahrungsliteratur und politische Schriften. Dort stößt man nicht selten auf weltverbessernde Ansichten, die gleich mit Perspektiven für die gesamte Menschheit aufwarten. D iese reichen von "eigentlich sind alle Menschen bisexuell" über "Bisexuelle sind ganzheitlichere Menschen" bis hin zu heilsversprechenden bisexuellen Gesellschaftsentwürfen. Das Postulieren solcher Ideale kann (neben Hetero- und Homosexualität) leicht zum Entstehen einer 3. Kategorie mit den dazugehörigen Normen, Stereotypen, Ausgrenzungen und auch Feindbildern führen. Bisexualität wird so zu einem "Typus" und bezeichnet eine Gemeinde, zu der man gehört, der man quasi "beitritt". Mir wäre es recht, diese vielleicht nötige Phase ginge möglichst schnell vorüber - schon allein deswegen, weil sie so humorlos ist und der Visibility lustvoller und lebenswerter Bisexua lität im Wege steht.
Dieses, nennen wir es ideologische Denken hat außerdem zu einer defensiven Haltung Bisexueller gegenüber dem Thema AIDS beigetragen. Aus Angst vor Stigmati-sierungen wurde auf das Bild vom bisexuellen Mann als HIV-Überträger (an Fr auen via Sex mit Männern) kaum reagiert. (Noch nicht einmal damit, daß jeder Überträger zunächst einmal selbst Träger ist und als solcher den Bedarf einer bi-spezifischen Prävention signalisiert). Es bleibt jedoc h eine schlichte statistische Tatsache, daß Männer, die unsafen analen Sex mit Männern praktizieren, ihre weiblichen Partner eher infizieren als beispielsweise monogame Ehemänner. Und daß gerade Analverkehr "gefährlich er" ist, ist eine Tatsache, mit der Schwule dank ihres Selbstbewußtseins leben können - zuweilen sogar sehr gut. Bisexualität erhielt durch AIDS eine enorme Visibility. Dies hätte eine Chance zur Artikulierung eigener Bedürf nisse sein können und man hätte die Aufmerksamkeit zur positiven Besetzung des Begriffs Bisexualität nutzen können (siehe Bild links).
Identity by doing
Immer wieder kommt die Frage auf, ob und wozu es eine eigene bisexuelle Subkultur geben sollte, die über Interessensvertretung und Betroffenenarbeit hinausgeht. Denkbar wären zum Beispiel "eigene" Kneipen, Discos, Feste, Skatclubs, Volleyballvereine, Friseure und Schreinereien.
Ich persönlich bevorzuge es, überall hinzugehen statt mich in eigenen Nestern zu verkriechen. Mir ist das Schaffen und Nutzen von Freiräumen wichtiger - und zwar überall dort, wo Bisexuelle sich sowieso schon befinden/aufhalten.
Freiräume erfordern Mut zu unvermeidlichen Provokationen. Je selbstbewußter, respektvoller und phantasievoller diese Provokationen stattfinden, um so deutlicher wird, was übrig bleibt: das, was Bisexuelle zu bieten haben. Denn schlie&sz lig;lich geht es nicht darum, jemanden zu provozieren, sondern etwas in jemandem zu provozieren.
"Sex ist ein Kunstwerk, das produziert werden muß", erklärte Gert Hekma in seinem Vortrag auf der 1. Internationalen Bi-Konferenz in Amsterdam 1991. So gesehen ist Bisexualität eine ständige Neuinszenierung. Ein Aspekt, d er sie für mich subversiv und attraktiv zugleich macht.
Inzwischen ist - teilweise durch Bisexuelle selbst - das Image von Bisexuellen als "nettem jungem Herrn von nebenan" und "adretter, aufgeschlossenen Kollegin" entstanden. Diese zarten Blüten bisexueller Visibility unterscheiden sich kaum von den Anzeigen gediegener Kleiderfabrikanten (Bilder vorige und diese Seite).
Mir selbst schwebt unter anderem folgendes Image vor: Bisexuelle Djangos, die sich nur nehmen, was sie wirklich brauchen und bei denen schnell klar ist, welche Erwartungen sie, notfalls unerbittlich, werden enttäuschen müssen. Django muß ; ja nicht jedem und jeder gefallen. Hauptsache er weiß, was er will und was man mit ihm anstellen kann.
Und falls sich herausstellen sollte, daß Bisexuelle überhaupt nur anderen Bisexuellen etwas bieten können? Das wollen wir doch erst einmal sehen, ob dem wirklich so ist!
* Corinna Gekeler arbeitet seit über zehn Jahren als freie Journalistin in Amsterdam und schreibt unter anderem für magnus und DAH-aktuell. Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, der am 7. Dezember 1994 im Rahmen der Ausst ellung AIDS-WELTEN-LEBENSWELTEN auf dem BISEXY-Filmfestival in Potsdam gehalten wurde. bijou dankt für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.
Plötzlich interessiert sich alle Welt für Bisexuelle. Abgesehen davon, daß diese "merkwürdige" Lebensform der normalen Hausfrau vor dem Bildschirm von Hans Meiser’s Talkshow ein wohlig-gruseliges Schauern den Rück en runterrieseln läßt, gibt es dafür mindestens noch einen Grund: Bisexuelle übertragen das böse HIV-Virus in die "Normalbevölkerung"! Wie es wirklich um diese Gefahr steht, und was diverse Organisationen tun, um b isexuell lebende Menschen mit AIDS-Aufklärung zu erreichen, beschreibt der folgende Artikel.
Bei den jährlich stattfindenden Internationalen AIDS-Konferenzen werden vermehrt Bisexuelle zum Objekt wissenschaftlicher Forschung. 1993 in Berlin und im vergangenen Jahr in Yokohama wurden einige Ergebnisse präsentiert, die das Thema & quot;Bisexualität und AIDS" genauer beleuchten.
R.E. Kennedy zum Beispiel analysierte für die USA den Weg der HIV-Infektion in die Hetero-Bevölkerung. Dabei zeigte sich ganz klar, daß die Hetero-Frauen überwiegend durch drogengebrauchende Männer, und nicht durch Bi-M änner angesteckt wurden. Oder aber durch Männer, die sich bei weiblichen Drogis infiziert hatten. Für Brasilien fand N. Santos ähnliche Ergebnisse: Er untersuchte, wie sich Frauen in Sao Paulo infiziert hatten. War es in 5,3% de r Fälle über einen bisexuellen (homosexuellen?) Ehemann, so waren demgegenüber fast 40% der Fälle auf einen drogenabhängigen Partner zurückzuführen.
Also Entwarnung? Keineswegs. Bei Patienten einer Geschlechtskrankheiten-Klinik in New York zeigte P. Bevier, daß bisexuelle Männer und Frauen überdurchschnittlich oft mit Syphilis und HIV infiziert waren - im Vergleich mit den He tero-Patienten. Es ist offenbar doch nötig, sich über AIDS-Prävention bei Bi’s Gedanken zu machen.
Die Deutsche AIDS Hilfe tut dies seit längerem. Sie brachte ein Faltblatt für Bisexuelle heraus (naja, immerhin ein erster Versuch...), finanziert seit Jahren Konzeptseminare und unterstützt dieses Zeitungsprojekt mit einer regelm äßigen Anzeige. Wie man munkeln hört, steht auch ein neues Faltblatt ins Haus.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die sich im Gegensatz zur Deutschen AIDS Hilfe an die Allgemeinbevölkerung wendet, hat inzwischen auch begriffen, daß viele Bisexuelle nur über die Massenmedien zu erreichen sind. Bei der Berliner Konferenz stellte Dr.Dr.Wolfgang Müller deshalb das Konzept seiner Behörde für "Männer ohne schwule Identität, die Sex mit Männern haben" vor. Er schlägt vor, im Rahme n der allgemeinen Kampagnen schwule Sexualität "implizit" mit einzubeziehen und "unaufdringlich" zu visualisieren. Soll wahrscheinlich heißen: In einem TV-Spot beichtet ein unauffällig aussehender Mann gewisse Kontakte zum anderen Ufer, um dann heimzukehren an Mutti’s Herd. Ob es hilft? Vielleicht sollte die BzgA mal uns fragen...
Die französische AIDS-Hilfe hat sich zu diesem Punkt etwas ganz Pfiffiges ausgedacht. Sie kreierten eine Kampagne "St.Kondom schützt die ganze Familie!" Das Poster zeigt viele Männer, junge und alte, die unterschiedlich aussehen. Damit soll zum einen die Solidarität in der gay community gefördert und zum anderen sollen bisexuelle Männer durch den Begriff "Familie" erreicht werden.
Wie kompliziert das ist mit der "Identität", beweist G. Prestage aus Australien. Die von ihm befragten Männer, die schwulen Sex hatten, bezeichneten sich zur Hälfte selbst als bisexuell, jeweils 25% sahen sich selbst als hetero bzw. schwul. Nun aber kommt’s: 12% der Männer, die im letzten halben Jahr ausschließlich Sex mit Männern hatten, bezeichneten sich selbst als hetero! Und gerade die, die sich als heterosexuell einordneten, hatten am häufigsten ungeschützten Analverkehr. Dies bestätigt die Linie der BzgA, Menschen nicht danach anzusprechen, als was sie sich bezeichnen, sondern danach, was sie tun.
Thomas
"Drei von ganzem Herzen"
Nicht mehr ganz taufrisch, diese Komödie mit Bi-Touch. Aber wer sie bislang versäumt hat, wird vielleicht auf den Geschmack kommen, wenn er/sie die folgende Kritik liest.
Die Rolle des erfolgreichen Callboys ist dem Herzensbrecher Joe (William Baldwin) wie auf den Leib geschrieben. Er sieht gut aus, ist hyper-charmant und weiß auf jede Frage eine Antwort, die Frauenherzen heftig erwärmen lä&sz lig;t. Zwar sind seine Verführungskünste voll und ganz dem Klischee-Handbuch entnommen, doch das mindert nicht den Erfolg.
Denn Joe ist das beste Pferd im Stall von Begleitservice-Manager Mickey (Joe Pantoliano), wo mittelalterliche Damen am Telefon sexuelle Höhepunkte in die Leitung stöhnen - ja, ganz genauso, wie man bzw. frau es sich immer vorgestellt h at bei diesen "Telefon-Sex"-Angeboten à la "Meine Muschi dampft!".
Aber beginnen wir am Anfang, der eigentlich ein Ende ist: Das Ende der Beziehung zwischen Connie (Kelly Lynch) und Ellen (Sherilyn Fenn). Ellen "braucht etwas Zeit, um nachzudenken", u.a., ob sie nicht doch lieber mit einem Mann zusammenleben will. Connie dreht daraufhin durch, martert sich selbst durch Videoaufzeichnungen der geliebten Freundin - und engagiert Joe. Nicht für sich selbst, sondern um Ellen erst zu verführen und anschließend kaltlächelnd abzus ervieren. Auf daß diese reumütig zu ihr zurückkehre.
Joe nimmt die Arbeit auf, alles klappt wie am Schnürchen - mit einer Ausnahme: Nicht nur Ellen verliebt sich ganz nach Plan in Joe, sondern auch Joe in Ellen. Alles fliegt durcheinander, alle sind sauer aufeinander, Tränen fließen zuhau f, Gefühlsstürme der Leinwand.
Wie am Schluß doch noch alle glücklich werden, sei hier nicht verraten. Eines aber ist sicher: Dieser Film von Regisseur Yurek Bogayevicz ist keineswegs eine Tragödie, sondern eine spannende, rasant und mit leichter Hand inszenie rte Komödie, die einen kaum zur Ruhe kommen läßt. Da taucht nämlich zu allem Überfluß noch ein Gangsterboß auf, der Joe umlegen lassen will, weil dieser ihn angeblich an die Bullen verraten hat.
Zugegeben, da wird mit Klischees nur so um sich geworfen. Das muß wohl so sein bei einer Komödie. Und über den Schluß werden sich Heteros nur wenig wundern, während unsereins nicht hundertprozentig zufrieden zurückgelass en wird. Der wundervolle Bi-Film, bei dem am Ende das glückliche Bi-Paar (oder -Trio oder -Quartett) übrig bleibt, so wie es das schwule Paar bei "Maurice" ist, der muß erst noch gedreht werden.
Trotzdem: Dies ist ein Film über Liebe, Eifersucht und Nähe, und soviel Spaß und soviel selbstverständliches Wechseln zwischen Geschlechtern kriegt man dabei selten geboten!
Wer also einen amüsanten und spannungs-geladenen Abend verbringen möchte, sollte sich "Drei von ganzem Herzen" im Kino gönnen. Taschentücher nicht vergessen!
Thomas
"Das Grüppchen" - so lautet der Arbeits-/Freizeittitel der Gelsenkirchener Bi-Gruppe, die im Dezember 1993 von Heike ins Leben gerufen wurde.
Auf Heikes Anzeigen und Aushänge im Herbst 1993 meldeten sich brieflich und telefonisch erstmal zwei Frauen und drei Männer, die sich mit einer gewissen Scheu ins Hinterzimmer einer Gelsenkirchener Kneipe wagten, um dort vorsichtig anzufragen , ob sie sich denn wohl bei dem richtigen Treffen befänden. Nachdem die erste Peinlichkeit überwunden war, wurde es ein netter Abend, bei dem nach und nach alle mit ihren Vorstellungen und Erwartungen herausrückten. Obwohl eine kunterbunte Mischung anwesend war, kristallisierte sich doch recht schnell heraus, was die Gruppe alles nicht sein kann und will:
kein PartnerInnen-Vermittlungsinstitut, kein Gruppensexverein, keine Therapiegruppe,...
Schwieriger war es herauszufinden, was sie sein und leisten möchte. Die erste Vereinbarung lautete auf "gemeinsame Freizeitgestaltung" und "Bi-Leben-Erfahrungsaustausch". Sie ist bis jetzt gültig geblieben und wurde im v ergangenen Jahr immer mehr mit Leben gefüllt.
Zunächst bestanden die Unternehmungen der Gruppe überwiegend aus Freizeitaktivitäten wie:
* Zusammensitzen und klönen * Sport und Spiel * Theater und Ausstellungen * Kino und Kneipe * Disco und Festivals * Diskussionen * Teilnahme an Bi-Wochenenden * CSD in Köln * Besuch der Kölner Bi-Gruppe * und vieles mehr. Besonders spann end gestaltete sich das gemeinsame Abendessen mit unseren nicht-bisexuellen PartnerInnen.
Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, Themen auszusuchen und zu besprechen, die mehr oder weniger eng mit unserer Bisexualität zusammenhängen. Dabei bereiten sich, wenn möglich, alle auf das ausgewählte Thema vor. Themen war en bisher u.a.: Mann-Sein/Frau-Sein/Bi-Sein, Eifersucht, Liebe (Texte und Bilder), Monogamie/Polygamie.
Im Verlauf der letzten Monate haben wir immer wieder per Anzeigen in den gewogenen Ruhrgebietszeitungen und in Selbstdarstellungen Vorstösse unternommen, noch ein paar weitere Bi-Menschen hinter dem Ofen hervorzulocken. Das ist uns auch gelungen, so daß wir - auch wenn manche nur mal kurz zum Schnuppern kamen - jetzt einen Kern von 10-15 Personen haben.
Es ist erfreulich, daß so viele Neue zu der Gruppe gestoßen sind. Die "Alten" sehen es auch mit Wehmut, da sie von der Gruppe, wie sie vorher war, Abschied nehmen müssen. Aber die Phase des Kennenlernens und der Neuorientierung ist f& uuml;r uns alle spannend.
Zu den Veränderungen unseres Gruppenlebens gehört auch die Tatsache, daß wir mittlerweile nicht mehr auf Hinterzimmer von Kneipen oder Privatwohnungen angewiesen sind, sondern einmal in der Woche die Räume der AIDS-Hilfe Gelsenkirc hen für unsere Treffen nutzen können.
Da unsere Themenabende mitunter sehr intensiv und persönlich sein können, veranstalten wir nur einmal im Monat (jeweils am dritten Donnerstag) einen Offenen Abend, zu dem uns Interessierte - nach telefonischer Kontaktaufnahme - willkom men sind. Wir glauben, so auch den "Neulingen" besser gerecht werden zu können.
Wir sind donnerstags von 20.00 bis 22.00 Uhr zu erreichen unter Tel.: 0209/19446
Das Grüppchen freut sich über Anrufe von Nah und Fern.
Claudia, Heike und Uli
(dem unbekannten Liebhaber)
Laue Luft
ein junger Herbst verpfiff den greisen Sommer
du lehnst im Leuchten alter Kandelaber
und flüchtig blitzen klare blaue Augen
die du magst
sanft wiegt das Leder um die Hüften
verweilt im Schatten der Nacht.
Du zögerst, und wagst
seine Lippen ein Meer
deine Hände versinken im Sonnenschopf
zungenumwogt
er entfaltet dein Glied
welch warmes Willkommen
Du süßer Schlund.
Du götterglich blondes Wunderkind
ich lieb Dich für die Dauer eines Funkenflugs -
das federleise Berühren zweier Körper
ohne Worte
ein Rascheln im Wind.
Robin Cackett
Dr. Ali Bi berät
Geht es Dir zu gut? Hast Du ständig Lust, Nächte durchzutanzen, Dich über das schöne Wetter zu freuen, interessante Leute kennenzulernen? Liebst Du Deine Arbeit (und bist froh, eine zu haben)? Ist Dein Partner/Deine Partnerin treu? Kommt Dein Bus immer pünktlich? Kommst Du morgens gut aus dem Bett?
Wenn Du auf alle diese Fragen mit einem zufriedenen "Ja" antworten kannst, dann solltest Du Dir schleunigst Gedanken darüber machen, wie das zu ändern ist. Keine Bange - es gibt eine Rettung!
Aber wie? Im Grunde ist es ganz einfach. Du brauchst bloß der folgenden Anleitung Punkt für Punkt zu folgen, und in ein paar Wochen - oder sogar Tagen - geht es Dir genauso dreckig wie allen Anderen.
1. Höre sofort auf, Pop- bzw. Disco-Musik im Radio zu hören. Suche Dir einen Sender, der ausschließlich klassische Musik sendet - am besten Rachmaninow oder Wagner. Nichts stürzt Dich mehr in Trübsinn als Opern, wo sich Liebende grundsätzlich nie kriegen und am Schluß alle tot sind.
2. Geh’ nicht ans Telefon. Es könnte ein Freund sein, der bloß mal klönen oder Dich fragen will, wie es Dir geht. Ruf’ auch niemals jemanden an, wenn Du Dich allein fühlst - Du könntest gerade stören. Isolation ist großartig, um depressiv zu werden.
3. Vermeide Sex - es sei denn, Du haßt Sex! Wenn’s unbedingt sein muß, dann nur in anonymen Sex-Clubs, wo alles bloß auf schnelle Orgasmen abzielt und jede Intimität fehlt. Verliebe Dich bloß nicht, denn das bedeutet Glück und Wohlbefinden - so wird das nie was mit dem Unglücklichsein.
4. Gehe nicht zur Arbeit! Arbeit vermittelt ein Gefühl von Wert und Sicherheit, von Geld gar nicht zu reden - und das behindert ein wohliges Gefühl von Minderwertigkeit. Denke dran: Du willst Dich schlecht fühlen, nicht gut!
5. Schau Dir im TV ausschließlich Nachrichten und Reality-Shows an. Was könnte deprimierender sein? Falls doch mal was Positives gebracht wird, kannst Du ja schnell auf einen anderen Sender schalten.
6. Falls Du ein bequemes Bett hast: Verkauf es und schlafe auf dem Fußboden! Du wirst Dich die halbe Nacht schlaflos herumwälzen und der Staub wird Deine Allergien fördern.
7. Vermeide jeden Sport! Körperliche Betätigung steigert das Wohlbefinden und fördert die Gesundheit. Werde lieber fett und bemitleide Dich selbst.
8. Und natürlich: Keine Feten, Feiern, Bi-Gruppentreffen etc. Es könnte passieren, daß Dir jemand Komplimente macht über Deinen schönen Pulli oder Deine neue Frisur - und schon ist Dein guter Vorsatz, unglücklich z u werden, für’n Arsch.
Das wäre schon alles. Der Rest hängt von Dir ab. Und wenn Du irgendeine der Empfehlungen befolgst, bist Du schlimmer dran, als ich dachte.
Neues im Bücherbrett
Wie erklären Sie Ihren Kindern Bisexualität? Lieber gar nicht? Kommt drauf an? Klar, wenn Ihre Kinder größer sind, selbst Beziehungen haben, dann ist da nicht nur ein Gespräch fällig, sondern auch möglich. Was aber, wenn Ihr Kind erst sechs oder sieben Jahre alt ist?
Seit vielen Jahren schon gibt es in England und den USA (Bilder-) Bücher zum Thema Homosexualität, mit deren Hilfe man/frau Kindern dieses komplexe Thema, dieses "andere" Leben nahebringen kann. Jetzt endlich wurde eines davon ins D eutsche übersetzt und ist hier beim magnus buch-verlag erschienen.
Der Autor Michael Willhoite beschreibt mit farbigen, sympathischen Bildern in Papas Freund die Geschichte eines Jungen, der jedes Wochenende bei seinem Vater und dessen Freund verbringt. Dabei wird Homosexualität als etwas ganz selbstverständ liches behandelt, was das Gespräch über die Geschichte - und was das Ganze mit Ihrem Kind zu tun hat - sehr erleichtert. Schade eigentlich, daß es Vergleichbares noch nicht über bisexuelles Leben gibt. Aber immerhin ein Anfang.
Das nächste Buch ist nun aber ganz der Bisexualität gewidmet. So heißt es auch: Bisexualität. Doppelte Sehnsucht - doppelte Scham (rororo Taschenbuch, DM 12.90). Ruth Kuntz-Brunner nähert sich unter dem Obertitel "Bi-Kal eidoskop" dem Thema essayistisch, beschreibt die "bisexuelle Formenwelt" und versucht sich an allgemeingültigen Entwicklungsbildern. Im zweiten Teil "Standpunkte" spielt sie - durchaus kritisch - mit dem modernen Trend zur se xuellen Offenheit und schildert, wie bislang die Diskussion um Bisexualität verlaufen ist. In Teil 3 ("Lebensentwürfe") schließlich porträtiert sie eine Reihe von Frauen und Männern, die je sehr unterschiedlich ihre Bis exualität leben. Vieles mag zum Widerspruch reizen, und doch überzeugt der Versuch, sich ernsthaft mit diesem Thema zu befassen.
Ganz aktuell - sowohl, weil das Buch gerade verfilmt wurde, als auch, weil das Thema Pädophilie kochendheiß diskutiert wird - ist das Buch, welches ich vorstellen möchte. Es ist die Geschichte eines elfjährigen Jungen in den Nieder landen, der gegen Ende des II.Weltkrieges aus der Großstadt in ein kleines Fischerdorf verfrachtet wird. Mutterseelenallein bei einer fremden Familie einquartiert, freundet er sich schnell mit einem amerikanischen Soldaten an, der mit seinen Truppen die Niederlande von der deutschen Armee befreit. Aus der Freundschaft wird mehr, schließlich auch sexuell. Eindringlich, aus der Sicht des Jungen geschildert, werden die sehr widersprüchlichen Gefühle des Knaben nachvollziehbar, der zwisc hen Sehnsucht und Schmerz, zwischen Reiz und Angst schwankt.
Eine wichtige Lektüre zum Verständnis dessen, was sich bei sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen und größeren Kindern abspielt, und zur differenzierten Bewertung. Das Buch heißt Der verlorene Soldat und ist ein autobiogr aphischer Roman des Niederländers Rudi van Dantzig, der inzwischen Leiter des Niederländischen Nationalballets ist.
Was nun kommt, nimmt nur wenig Platz weg auf dem Bücherbrett, aber dafür kostet es auch nichts. Wer nun denkt: Kostet nix, is nix - der liegt total falsch! "Unser Kind fällt aus der Rolle" ist eine sehr umfangreiche Brosch&uum l;re der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA) zum Thema Geschlechtsrollen und sexuelle Orientierungen. Gedacht ist diese Broschüre für Eltern, insbesondere für solche mit bi- oder homosexuellen Kindern.
Dabei geht sie die Sache umfassender an: über Rollenverhalten und -zwänge tastet sie sich langsam an die Frage heran, wie bisexuellen/homosexuellen Heranwachsenden geholfen werden kann, ein gesundes Selbstbewußtsein zu entwickeln. Nat&u uml;rlich geht es auch um Fragen nach dem "Warum", die nun mal für Eltern (fast) immer eine Bedeutung haben, aber gleichzeitig wird die Situation der betroffenen Jugendlichen sehr einfühlsam geschildert. Die Broschüre ist koste nlos bei der BzGA (51101 Köln) zu bestellen. Es ist schon erstaunlich, was die Bundeszentrale trotz konservativer Regierung zustande bringt!
Dasselbe gilt für drei weitere aus derselben Reihe, die ich jedoch hier nur kurz erwähnen möchte: "Über Sexualität reden" (Hilfestellung bei einer vorurteilsfreien Aufklärung), "Über den Umgang mit Lieb e, Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft" (für Jugendliche) und "Empfängnisverhütung - Methoden und Möglichkeiten" (für Frauen und Männer).
Thomas